Keine Angst vor Kritik (2): Souverän antworten
It’s showtime, Baby! Willkommen zum zweiten Teil der Reihe „Keine Angst vor Kritik“! Nachdem du deinem Kritiker in Teil 1 mit Engelsohren (jepp, die gibt’s) zugehört, dich eingefühlt und das Konstruktive herausgefiltert hast, bist du jetzt an der Reihe, dich zu äußern und zu der Kritik Stellung zu nehmen.
Aber bevor du Luft holst und zu deiner vernichtenden Verteidigungsrede ansetzt, die du beim Zuhören natürlich doch heimlich zusammengestoppelt hast: HOLD YOUR BREATH und tu es nicht! Denn dein Ziel ist es ja nicht, möglichst impulsiv & unüberlegt zurückzuschießen, sondern gelassen & souverän zu reagieren. Du erinnerst dich?
Es gibt da eine wunderbare Zauberformel, die dich davor bewahrt, alles wieder einzureißen, was du gerade an Vertrauen und Verständnis aufgebaut hast.
Wie süß. Nein, es ist nicht „Abrakadabra“.
Nicht schlecht, aber nein, der ist es auch nicht.
Der magische Satz, den du IMMER, immer, immer sagen solltest, egal wie das Gespräch bisher gelaufen ist, lautet:
„Vielen Dank für das Feedback.“
That’s it. Diesen Satz sagst du als allererstes, ganz gleich, ob du die Kritik teilst oder nicht. Denn dein Danke ist noch lange kein Einverständnis mit dem, was dein Gegenüber gesagt hat. Es bedeutet erst einmal nur, dass du die Kritik gehört hast. Du bedankst dich für die Zeit & die Mühe deines Gegenübers, dich auf wahrgenommene Fehler hinzuweisen. Und das ist tatsächlich wertvoll, schließlich kann dir jede Kritik zumindest zeigen, inwiefern du missverstanden wurdest. (Wenn du wissen willst, warum Kritik sogar ein Geschenk ist, dann lass dich hier flashen).
Indem du dich für das Feedback bedankst, zeigst du deine Kritikfähigkeit und deine Lernbereitschaft. Dadurch wirkst du automatisch souveräner, als wenn du dich sofort rechtfertigst und verteidigst. Versuch daher, diesen ersten Satz so aufgeräumt und sachlich wie möglich zu sagen. Lass ihn nicht vor Ironie oder Patzigkeit triefen. Idealerweise hast du deine Gefühle während des aktiven Zuhörens, Nachfragens und Zusammenfassens bereits entschärft (konkrete Tipps dazu findest du hier). Der Satz „Vielen Dank für das Feedback“ verschafft dir nochmal ein paar Sekunden, um dich zu sammeln.
Sehr gut. Nun ist es an der Zeit, zu antworten und deine Sicht der Dinge darzulegen. In den folgenden Abschnitten erfährst du, wie du das selbstbewusst und souverän machst, ohne dein Gegenüber vor den Kopf zu stoßen.
(Falls du nicht auf Feedback reagieren willst, sondern selbst welches geben möchtest, dann schau in meinem Artikel über konstruktives Feedback vorbei!)
Innenschau: Was fühle, will & brauche ich?
1. Beobachten ohne zu bewerten
2. Die eigenen Gefühle wahrnehmen
3. Die eigenen Bedürfnisse erkennen
4. Einen Wunsch/eine Bitte formulieren
Auf Kritik reagieren: Souverän auftreten
Das Kritikgespräch fortsetzen oder vertagen?
Option 1: Du nimmst die Kritik an
Innenschau: Was fühle, will & brauche ich?
Um deine eigene Position klar nach außen vertreten zu können, sind die vier Schritte aus der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall B. Rosenberg außerordentlich nützlich. Sie helfen dir nämlich dabei, herauszufinden, was du selbst eigentlich brauchst und willst:
- Beobachten ohne zu bewerten
- Die eigenen Gefühle wahrnehmen
- Die eigenen Bedürfnisse erkennen
- Einen Wunsch/eine Bitte formulieren
1. Beobachten ohne zu bewerten
Im ersten Schritt versuchst du, die aktuelle Situation einfach nur zu erfassen und zu beschreiben, ganz wertfrei. Wie ein Kameraobjektiv. Du registrierst so neutral wie möglich, was du gesehen oder gehört hast. Dabei klammerst du bewusst alle Interpretationen und Bewertungen aus.
Dass wir das nicht gerade mit der Muttermilch aufgesogen haben, ist schwer zu übersehen. Wenn wir uns über jemanden ärgern, klingt das nämlich oft so:
„Meine Kollegin ist so egoistisch! Schreibt mir dreist eine Mail, dass sie nicht zum Meeting kommt und lässt mich mit dem Vortrag einfach hängen. Und ich darf wieder alles alleine machen. Typisch!“
Hmm, ja. Holen wir doch mal die Buntstifte raus und kringeln alles ein, was nach Bewertung riecht:
Sofort verdächtig sind die Worte „egoistisch“, „dreist“, „hängen lassen“ und „typisch“. Und ganz recht: Das sind keine neutralen Beschreibungen, sondern subjektive Interpretationen des Verhaltens anderer. Aber auch „einfach“, „wieder“ und „alles“ sind wertend (genauso wie die Streit-Klassiker „immer“ und „nie“).
Übrigens ist auch alles, was „zu“ ist, also „zu laut“, „zu langsam“ oder „zu wenig“, keine objektive Tatsache, sondern eine individuelle Einschätzung, die mit Sicherheit nicht alle teilen. Sogar harmlos wirkende Wörter wie „unordentlich“ oder „empfindlich“ sind subjektiv und damit wertend.
Gar nicht so leicht, das mit der reinen Beobachtung … Wie könnte ein Satz ohne Bewertungen lauten? Zum Beispiel so:
„Meine Kollegin hat mir gestern per E-Mail Bescheid gegeben, dass sie nicht am Meeting teilnehmen kann, weil sie einen wichtigen Kundentermin hat. Sie hat mich gebeten, die Präsentation allein zu halten.“
Merkst du, was das mit deinen Gefühlen macht? Wie deine innere Temperatur von Höllenglut auf Badespaß runterkühlt? (Für alle, die Fakten brauchen: Zwischen Hölle und Badewanne liegen ca. 400°C. I did my research.)
Im Alltag gehen Beobachtung & Bewertung meist Hand in Hand wie ein verliebtes Pärchen, es erfordert also einige Übung und Anstrengung, sie voneinander zu trennen. Aber es lohnt sich, denn Bewertungen sind oft verkleidete Vorwürfe. Und wie Menschen auf Vorwürfe reagieren, brauch ich glaub ich nicht extra auszuführen. 😉 Wenn du bei deinem Gegenüber ein Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft erreichen und dich nicht selbst auf 180 bringen willst, dann starte deine Antwort also mit einer möglichst neutralen Beschreibung der Situation ungewürzt durch Bewertungen.
2. Die eigenen Gefühle wahrnehmen
Im zweiten Schritt spürst du bewusst in dich hinein und registrierst alle Gefühle, die durch die Kritik in dir aufkommen. Fühlst du Ärger? Enttäuschung? Angst? Stell ganz bewusst die Antennen auf und geh nicht über deine Gefühle hinweg. Sie liefern dir wichtige Hinweise für die nächsten Schritte.
Wie wir in Teil 1 gesehen haben, gibt es gar nicht so viele verschiedene Gefühle, wie wir glauben. Die meisten vermeintlichen Gefühle sind in Wahrheit nichts anderes als Interpretationen der Handlung anderer.
Obwohl z.B. der Satz „Ich fühle mich in die Ecke gedrängt“ die Formulierung„ich fühle“ enthält, beschreibt er kein echtes Gefühl. Sondern er unterstellt dem Gegenüber „Du drängst mich in die Ecke“. Er interpretiert also die Handlungen und Absichten der anderen Person. Ein echtes Gefühl wäre hier z.B. „Ich fühle mich hilflos.“ oder „Ich bin verärgert.“ Spannend, oder?
Wenn du echte Gefühle von Pseudogefühlen unterscheiden kannst, werden du und dein Gesprächspartner ebenfalls seltener in die Luft gehen, denn auch hier lässt du implizite Vorwürfe fallen. Statt zu klagen „Ich fühle mich nicht ernst genommen“ – was immer unterstellt „Du nimmst mich nicht ernst“ – kannst du erkennen, dass du eigentlich traurig bist oder enttäuscht, weil du möchtest, dass deine Vorschläge von der anderen Person angehört oder gemeinsam diskutiert werden.
Gegen den Satz „Ich fühle mich von dir nicht ernst genommen“ kann (und wird) dein Gegenüber sofort ins Feld ziehen, da kannst du die Uhr nach stellen. Eine typische Antwort darauf ist:
„Aber das stimmt doch gar nicht. Das bildest du dir ein. Was willst du eigentlich noch alles?“
Wenn du hingehen sagst, „Ich bin enttäuscht/traurig, dass meine Vorschläge heute nicht diskutiert wurden“, ist es für dein Gegenüber sehr viel schwerer, deine Aussage zu entkräften. Wie soll man dir in Abrede stellen, dass du enttäuscht oder traurig bist? Außerdem bist du konkret geworden, das macht es der anderen Person leichter, einen Lösungsvorschlag zu finden statt alles abzuwehren.
Es macht einen himmelweiten Unterschied, wenn du diese impliziten Vorwürfe fallen lässt.
3. Die eigenen Bedürfnisse erkennen
Als Drittes versuchst du nun herauszufinden, warum du dich so fühlst wie du dich fühlst. Deine Gefühle haben viel mit deinen Bedürfnissen & Werten zu tun. Wenn durch die Kritik starke Gefühle ausgelöst werden, frag dich: Warum ist mir dieses Thema so wichtig?
Meistens liegen negativen Gefühlen Bedürfnisse zugrunde, die nicht oder nicht ausreichend erfüllt werden. Nehmen wir an, du hast das Bedürfnis nach Anerkennung & Zugehörigkeit. Kein Wunder, dass du traurig und enttäuscht reagierst, wenn du kritisiert statt gelobt wirst. Das ist ja das genaue Gegenteil von dem, was du wolltest!
Die Anzahl an Grundbedürfnissen ist relativ überschaubar und es lohnt sich, sich mit ihnen vertraut zu machen, denn sie stecken als Motive hinter fast allen unseren Handlungen. Aber auch das Identifizieren der eigenen Bedürfnisse kann tricky sein: Ein konkreter Gegenstand oder eine bestimmte Person stellen z.B. grundsätzlich keine Bedürfnisse dar. Sie sind nur Strategien, um bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen. So ist das Bedürfnis hinter einem Auto z.B. Mobilität & Autonomie. Auch hier lohnt es sich also, genau hinzuschauen, was du wirklich brauchst und willst.
4. Einen Wunsch/eine Bitte formulieren
Ok, du hast jetzt also herausgefunden, was du brauchst, um z.B. gut im Team zu arbeiten. Im vierten Schritt richtest du nun einen entsprechenden Wunsch oder eine Bitte an dein Gegenüber. Wichtig: Eine Bitte ist kein Befehl, keine Forderung und kein Ultimatum. Eine Bitte darf abgelehnt und verhandelt werden. Sie endet oft mit einer Frage. Eine echte Bitte kann z.B. so klingen:
„Mir ist ein ehrliches, vertrauensvolles Miteinander wichtig, daher bitte ich dich, dass du mich bei Problemen künftig direkt und unter vier Augen ansprichst. Ich möchte die Dinge nicht zufällig über den Flurfunk erfahren, sondern Probleme gemeinsam mit dir besprechen und gezielt aus der Welt schaffen. Ist das in deinem Sinne?“
Achtung: Die Formulierung ist hier wahnsinnig wichtig, da Menschen dazu neigen, Bitten schnell als Vorwurf oder Forderung aufzufassen. Was die Erfüllung der Bitte nicht gerade wahrscheinlicher macht. Das ist also DIE Gelegenheit für Fingerspitzengefühl oder wahlweise Samthandschuhe.
Diese 4er-Kombo aus Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte kann extrem wirkungsvoll sein. Denn wenn du deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse für dich klar hast, kannst du viel selbstbewusster auftreten als wenn du das alles nur diffus ahnst. Wenn du weißt, was dir wichtig ist, was du willst & brauchst, kannst du deinen Standpunkt viel sicherer und souveräner vertreten. Eine ehrliche Innenschau macht dich also nicht nur sensibler, sondern stärkt & festigt dich.
Auf Kritik reagieren: Souverän auftreten
Damit du deine Ansichten, Werte und Bedürfnisse auch nach außen selbstbewusst vortragen kannst, empfehle ich dir die folgenden Tipps für deine Stimme, Körpersprache und Haltung:
- Verlangsame bewusst deine Atmung und atme tief aus. Das aktiviert den Parasympathikus in unserem Gehirn, der dafür sorgt, Stresshormone abzubauen. Damit trittst du bewusst auf die Stress-Bremse. Sehr sympathisch, so ein Parasympathikus.
- Stell dich mit beiden Füßen fest auf den Boden. Wenn du sitzt, rutsch auf dem Stuhl so weit nach vorne, bis deine Füße fest auf der Erde stehen und übe etwas Druck auf deine Fersen und Fußsohlen aus.
- Zieh deine Schultern nach hinten und lass sie entspannt nach unten fallen, so richtet sich deine Wirbelsäule auf und du nimmst automatisch eine gerade Haltung an. Wie heißt es so schön: „Kopf hoch, sonst fällt das Krönchen runter.“
- Nimm Blickkontakt auf und schau deinem Gegenüber offen ins Gesicht. Starr der anderen Person aber nicht die ganze Zeit krampfhaft in die Augen, das ist nicht selbstbewusst, sondern einfach nur creepy und unangenehm.
- Wenn du sprichst, gib deiner Stimme einen gleichmäßigen, kraftvollen Ton. Ein bisschen so, als hättest du einen Dudelsack unter dem Arm und dein Atem würde langsam & gleichmäßig ausströmen. Aber press die Luft nicht raus, sondern lass sie einfach fließen und deine Stimme tragen.
- Sei kein Mucksmäuschen, sondern versuch klar und deutlich zu sprechen. Nuscheln und Flüstern is nich. Es gibt einige sehr hilfreiche Artikulationsübungen, um das zu trainieren.
- Sprich eher einen Tick zu langsam als zu schnell. Wenn wir aufgeregt sind, neigen wir dazu, immer schneller und schneller zu sprechen. Das bringt uns selbst aus der Puste und macht es unserem Gegenüber schwer, uns zu folgen. Sprich also bewusst ruhig und langsam. Stell dir vor, du hättest alle Zeit der Welt.
- Mach nach ein bis zwei Sätzen bewusst eine kleine Pause und geh mit der Stimme nach unten. Du kannst Luft holen und dein Gegenüber hat Zeit, das Gesagte zu verarbeiten. Außerdem wirken Sätze, nach denen eine Pause folgt, gleich viel bedeutsamer.
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Das Kritikgespräch fortsetzen oder vertagen?
So, jetzt geht’s ans Eingemachte: Du entscheidest nun, ob du das Kritikgespräch weiterführen oder an dieser Stelle unterbrechen und es vertagen willst. Wie jetzt: vertagen?! Jaha, das geht und ist manchmal tatsächlich die beste Option.
Häufig kommt negative Kritik für uns überraschend. Wir sind überhaupt nicht darauf vorbereitet und fühlen uns überrollt. Gesetzt den Fall, die Kritik war hart, deine Emotionen fahren Achterbahn und du ahnst, dass du in der aktuellen Situation alles andere als angemessen reagieren wirst, dann kannst du das Gespräch vertagen. Beispielsweise so:
„Vielen Dank für deine Einschätzung. Ich möchte deine Kritik in Ruhe überdenken, bevor ich mich dazu äußere. Ich komme in den nächsten Tagen wieder auf dich zu.“
Damit hast du noch kein Fehlereingeständnis gemacht, aber sehr viel Souveränität bewiesen. Wenn du dann einige Tage später das Gespräch fortführst, wirst du in der Regel deutlich ruhiger sein und überlegtere Antworten geben können. Du bist dann nicht nur älter und weiser, sondern als clevere Strategin hast du dich in der Zwischenzeit natürlich mit einer Vertrauensperson beraten und die Gesprächssituation mehrmals durchgespielt (kleiner Hint: mit mir zum Beispiel :-)).
Das Gespräch auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben kann auch dann sinnvoll sein, wenn du vor anderen Leuten kritisiert wirst, z.B. im Teammeeting oder während einer Präsentation. Jemanden vor anderen auf Fehler hinzuweisen ist schlechter Stil und verstößt gegen Führungsgrundsätze. Trotzdem passiert es immer wieder. Da hilft nur: Stiff upper lip. Eiskalt alle Gefühle ausschalten, Poker Face und ein ganz straighter Satz wie:
„Vielen Dank für den Hinweis. Ich würde den Punkt gerne in Ruhe unter vier Augen besprechen. Ich komme später nochmal auf dich zu.“
Wenn du das Gespräch grundsätzlich weiterführen willst, aber trotzdem eine kleine Pause brauchst, um dich zu sammeln, kannst du das Gespräch auch kurz unterbrechen, etwa so:
„Ich brauche eine kurze Pause. Ich mach mir schnell einen Kaffee, dann können wir weitersprechen.“
Nutze die kurze Unterbrechung für die Zubereitung des Kaffees (wahlweise Tees oder fancy Guavenshakes) ggf. auch für einen kurzen Gang auf die Toilette. Atme tief aus, lass dir kühles Wasser über die Handgelenke laufen, richte dich auf und schau dir im Spiegel fest in die Augen. Durch die kurze Unterbrechung gehst du physisch & psychisch auf Distanz. Versuch bewusst, eine Vogelperspektive auf das Gesagte und die Gesprächssituation einzunehmen. Nimm dein Kalt- oder Heißgetränk dann mit zurück in die Besprechung. Du kannst dich im weiteren Verlauf für emotionalen Support daran festhalten, ab und zu daran nippen und so elegant Denk-/Sprechpausen einbauen.
Alright, du bist hardcore und willst das Gespräch weiterführen? Dann hast du zwei Optionen:
Option 1: Du nimmst die Kritik an
Bevor du zu großen Erklärungen & Rechtfertigungen ausholst: Frag dich ehrlich, ob dein Gegenüber mit der negativen Kritik recht hat. Oder mit einem bestimmten Teilaspekt davon.
Manchmal ist man tatsächlich ahnungslos und wird durch Feedback auf einen blinden Fleck hingewiesen. Ich z.B. habe manchmal die Unart, anderen ins Wort zu fallen und ihre Sätze für sie zu beenden. Außerdem wiederhole ich mich gerne „to really drive my point home“. Urgh. Das hab ich aber nicht selbst gemerkt, das musste mir von außen gesagt werden. Meine erste Reaktion: „Hä? Was? Niemals! … Hm, mal beobachten … Ok, wow, das mache ich wirklich.“ Beobachte dich und dein Verhalten also selbstkritisch, um zu erkennen, ob an dem Feedback nicht doch was dran ist.
Häufig haben wir aber auch schon im Gespür, was unsere Fehler und Schwächen sind, und fühlen uns dann unangenehm „ertappt“, wenn andere uns darauf hinweisen. Auf Kritik an Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die uns selbst stören, reagieren wir in der Regel sehr empfindlich und ablehnend. Magst du z.B. an dir selbst nicht, dass du chaotisch bist, willst du das erst recht nicht von jemand anderem hören.
Die Frage ist in diesem Fall also nicht: Hat dein Gegenüber Recht? Sondern: Kannst du die Wahrheit hören?
Wenn die Kritik berechtigt ist, versuch nicht, dich rauszureden, sondern gib ein Fehlverhalten oder Versäumnis offen zu. Einen Fehler einzugestehen ist kein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil: Statt nach anderen Schuldigen zu suchen, übernimmst du selbst Verantwortung und stehst für das ein, was du tust. Es ist ein Zeichen von Größe, Kritik anzunehmen, denn du zeigst damit, dass du offen bist & lernfähig.
Wenn du perfektionistisch veranlagt bist, stöhnst du an dieser Stelle vermutlich vor Schmerzen auf. Denn wenn du Fehler machst, hast du doch automatisch versagt und bist ein schlechter Mensch, oder?
Hmm. Wie wär’s mit einer Stufe drunter: Wenn du etwas falsch gemacht hast, bedeutet das im Grunde nur, dass es noch ein, zwei Punkte gibt, die du verbessern kannst, um ein positiveres Ergebnis zu erzielen.
Mir hilft auch dieser Gedanke: Jeder hat seine persönliche „Hall of Shame“, das ist total normal. Fehler gehören genauso zum Leben dazu wie alles andere. Sie sind zu Unrecht verpönt. Es muss und kann nicht alles von Anfang bis Ende perfekt sein. Keine Fehler machen zu wollen, hemmt dich und verhindert manchmal die besten Ideen. Bau „Fehler machen“ & „kritisiert werden“ am besten als To-Do-Punkte in dein Leben ein. Nimm es dir regelrecht vor.
Lass dich also nicht dazu verleiten, Fehler zu vertuschen, abzustreiten oder kleinzureden, sondern such gemeinsam mit deinem Gegenüber nach einer Lösung für die Zukunft. Wie könntest du dich in einer ähnlichen Situation künftig anders verhalten?
Ein guter Gesprächseinstieg, wenn du die Kritik im Großen und Ganzen annimmst, ist:
„Vielen Dank, dass du mich darauf hingewiesen hast. Auf diese Weise habe ich es noch gar nicht gesehen. Mir ist jetzt klar geworden, dass…“.
Meistens enthält das, was dein Gegenüber gesagt hat, bereits Ideen oder Ansätze zur Lösung des Problems. Nimm diese Vorschläge auf, z.B. so:
„Stimmt, ich habe das nicht mehr geprüft, das hätte ich tun sollen. In Zukunft werde ich die Berichte noch genauer lesen, bevor ich mein OK gebe.“
Akzeptiere aber keine überzogenen Forderungen. Du musst nicht völlig zerknirscht „Mea culpa, mea maxima culpa!“ rufen und dir den Rücken blutig peitschen. Oft hat dein Gegenüber nur in bestimmten Punkten recht, in anderen nicht. Du musst nicht auf alles eingehen. Ein Kritikgespräch ist keine Einbahnstraße. Du kannst dir aussuchen, welche Aspekte des Feedbacks du nutzen willst, um dich weiterzuentwickeln.
Thematisiere unbedingt auch, was du brauchst, um in Zukunft anders vorgehen zu können (Hilfsmittel, Weiterbildung, Unterstützung, …). Es wär zwar schön, aber nicht alles lässt sich allein durch Einsicht & guten Willen ändern.
Plane eventuell gleich ein Folgegespräch, um zu zeigen, dass du es mit der Veränderung ernst meinst, und um zu sehen, ob der eingeschlagene Weg für dich und dein Gegenüber funktioniert.
Option 2: Du lehnst die Kritik ab
Wenn du kritisiert wirst, solltest du dir die Meinung deines Gegenübers zwar anhören und sie akzeptieren, aber du musst sie nicht unbedingt teilen. Trifft die Kritik deiner Meinung nach nicht zu, solltest du das klarstellen. Und zwar möglichst ruhig, kurz und sachlich. Ain’t nobody got time for ausufernde emotionale Rechtfertigungen, Vorwürfe und Schuldzuweisungen.
Wie leitest du deinen abweichenden Standpunkt also selbstbewusst ein, ohne dein Gegenüber vor den Kopf zu stoßen? Zum Beispiel so:
„Danke, dass du mir deine Einschätzung mitgeteilt hast. Allerdings sehe ich die Sache in einigen Punkten etwas anders.“
Als Nächstes lohnt es sich, Sherlock Holmes zu spielen und nachzuforschen:
- Fehlen deinem Gegenüber eventuell wichtige Informationen, um den Sachverhalt korrekt einschätzen zu können?
- Oder liegt ein Missverständnis vor?
Wenn ja, Jackpot! An dieser Stelle kannst du die fehlenden Infos nachliefern und missverständliche Sachverhalte aufklären und die Kritik so entkräften. Belehre oder verurteile dein Gegenüber dabei aber nicht – möglicherweise hättest du mit dem Wissensstand deines Gegenübers eine ganz ähnliche Kritik geäußert.
Erklär ganz sachlich & ruhig, warum die Kritik aus deiner Sicht nicht zutreffend ist und liefere stichhaltige Fakten. Überleg dir auch, welche Informationen dein Gegenüber ggf. (von dir) braucht, um Situationen künftig besser einschätzen zu können.
Manchmal hat negative Kritik aber auch andere Ursachen, die nicht so einfach aufzulösen sind: Kritik an den Verhaltensweisen anderer Menschen beruht immer auf einem persönlichen Wertesystem. Menschen bewerten sich ständig untereinander und versuchen, sich gegenseitig in ihr jeweiliges Wertesystem einzuordnen und hineinzuziehen. Und diese Wertesysteme sind – große Überraschung – nicht immer deckungsgleich. Frag dich deshalb: Entspricht die Kritik auch meinen eigenen Werten?
Wenn nicht, dann mach dir klar, dass es immer verschiedene Perspektiven auf dieselbe Sache gibt. Deine Art, etwas zu sagen oder zu tun, ist nicht „an sich“ schlecht oder falsch, sondern passt vielleicht einfach für bestimmte Menschen nicht („zu forsch, zu zaghaft, zu langsam“ etc.). Eine Kritik ist immer eine subjektive Meinung, keine objektive Wahrheit.
Mit der Einleitung „Du hast teilweise recht“ zeigst du, dass du die Punkte verstehst, die dein Gegenüber dir mitgeteilt hat, dass es aber auch noch andere Aspekte & Sichtweisen gibt. Zum Beispiel deine. Und so fährst du danach fort:
- Zeig auf, wo ihr euch einig und bei welchen Punkten ihr unterschiedlicher Ansicht seid. Bei komplexen Sachverhalten solltest du auf jeden Punkt einzeln eingehen.
- Leg kurz und plausibel dar, warum du diese oder jene Entscheidung getroffen hast, sodass dein Gegenüber dein Handeln nachvollziehen kann.
- Begründe deine Meinung und drück dich dabei möglichst klar & verständlich aus.
- Und vor allem: Fasse dich kurz und lass nebensächliche Punkte fallen.
Dein Vorteil an dieser Stelle im Gespräch ist: Du hast schon ein riesiges Stück Vorarbeit geleistet. Du hast deinem Gegenüber vor deiner Antwort zugehört. Du hast nachgefragt. Du hast ihren oder seinen Standpunkt nachvollzogen und dich eingefühlt (zumindest, wenn du die Techniken aus Teil 1 angewendet hast). Dein Gegenüber wurde von dir also schon ordentlich gepampert. Die Chance, dass dir jetzt ebenfalls zugehört wird, ist groß, sagt das Prinzip der Gegenseitigkeit.
Damit dein Gegenüber beim Zuhören möglichst ruhig bleibt, solltest du dabei anklagende Formulierungen oder rigorose Ablehnungen vermeiden:
„Da hast du mich völlig falsch verstanden.” → „Ich habe mich offenbar unklar ausgedrückt.”
„Das geht nicht.“ → „Was ich stattdessen anbieten kann.“
Mach deutlich, dass du daran interessiert bist, das Thema zu klären und eine gute Lösung für beide Seiten zu finden. Gib deinem Gegenüber die Gelegenheit, dir Fragen zu stellen, oder stell selbst durch Rückfragen sicher, dass die andere Seite deine Sichtweise verstanden hat.
So beendest du das Kritikgespräch positiv
Um das Kritikgespräch möglichst konstruktiv zu beenden, ist es ratsam, zumindest ein paar gemeinsame Standpunkte zu finden. Fass daher nochmal alle relevanten Punkte aus dem Gesagten zusammen. Wahrscheinlich haben manche Punkte mehr Gewicht als andere, lass die unwichtigen also außen vor.
Zeig dich bei den Themen, die dir wirklich wichtig sind, fest, geh aber bei den anderen einen Schritt auf dein Gegenüber zu. Manchmal reicht diese Kompromissbereitschaft schon aus, um den anderen ebenfalls kompromissbereit zu stimmen (und täglich grüßt das Prinzip der Gegenseitigkeit!).
Such aktiv und gemeinsam mit deinem Gegenüber nach einer Lösung, mit der ihr beide einverstanden seid. Zwischenmenschliche Beziehungen sind ein Geben & Nehmen. Beharre also nicht stur & steif auf deinem Standpunkt. Es geht nicht um Sieg oder Niederlage, sondern – letztlich – um ein besseres Miteinander.
Um eine möglichst gute Lösung für beide Seiten zu finden, stell dir folgende Fragen:
- Was sind meine Bedürfnisse & Ziele?
- Was will ich für den anderen?
- Was wünsche ich mir für das Unternehmen?
- Welche Fähigkeiten & Ressourcen stehen zur Verfügung, um das Problem zu lösen?
- Wie verwandeln wir die Situation in etwas Positives?
Mit diesen Fragen kannst du zu einer konstruktiven Haltung finden: weg von dem Problem hin zu einer Lösung.
Wenn ihr in bestimmten Punkten trotz Bemühungen und gegenseitigem Verständnis unterschiedlicher Meinung bleibt, könnt ihr euch darauf einigen, dass ihr euch hier eben nicht einig seid (agree to disagree):
„Offenbar sind wir in diesem Punkt unterschiedlicher Ansicht. Lassen wir es für heute dabei bewenden.“
Vereinbare ggf. einen Follow-up-Termin, um das Thema später noch einmal zu besprechen und eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden.
Bedanke dich zum Schluss noch einmal für das Feedback & die Zeit, die dein Gegenüber investiert hat. Damit zeigst du Wertschätzung und beweist, dass du der Situation gewachsen bist und sie vernünftig einordnen kannst. Selbst wenn das Gespräch nicht ganz ideal gelaufen ist, erhöht ein aufrichtiges Danke am Ende die Chance, dass beide Gesprächspartner mit einem guten Gefühl und Respekt füreinander auseinander gehen.
Sahnehäubchen für Profis:
So richtig Fortgeschrittene holen Feedback sogar aktiv ein. Du kannst deine Vorgesetzten oder Teammitglieder also durchaus bitten, dir regelmäßig Rückmeldungen zu geben. Oder du fragst sie direkt:
„In welchen Bereichen könnte ich mich noch verbessern? Wo sollte ich etwas anders machen?“
So zeigst du, dass du offen für Anregungen & Verbesserungen bist, und förderst einen ehrlichen Austausch untereinander. Das klingt am Anfang ziemlich furchteinflößend, aber mit der Zeit wird es dir immer leichter fallen, mit Kritik umzugehen. Eigentlich keine Überraschung, wenn du jemals eine Sportart, eine Sprache oder ein Musikinstrument gelernt hast. 🙂
Du hast es bis hierher geschafft? Bravo, Applaus, Fanfaren & Konfetti!
Du kannst jetzt also souverän mit negativem Feedback umgehen, indem du:
- aufmerksam zuhörst,
- die richtigen Fragen stellst,
- deine Gefühle regulierst,
- Fehler eingestehst,
- deine Position selbstbewusst vertrittst
- und zu einer einvernehmlichen Lösung findest.
Außerdem hast du dir das Bonus-Cheatsheet mit praktischen Formulierungen für alle 7 Phasen des Kritikgesprächs geschnappt, damit dir nie mehr die richtigen Worte fehlen.
Fantastisch!
Und jetzt? „Wissen ist Macht“ heißt es doch immer, also alles paletti, oder? Na ja, nicht ganz. Wissen auch anwenden können, das ist Macht.
Ich empfehle dir daher, schwierige Situationen immer mit einer anderen Person zu üben und mehrmals in verschiedenen Rollen durchzuspielen. Vorbereitung & Übung sind die magischen Zutaten für deinen Gesprächserfolg.
Falls du dafür eine Sparringspartnerin suchst: Du bist zur rechten Zeit am rechten Ort! Zusammen analysieren, üben, zerlegen und entstressen wir schwierige Gespräche vorwärts, rückwärts und seitlich kraulend. Denn ich will, dass das mit der zwischenmenschlichen Kommunikation endlich vorwärts geht (zum Kuckuck)! Wenn du also konkretes Feedback oder praktische Übung brauchst, dann sprich mich an! Im intensiven 1:1-Training machen wir dich fit für jedes herausfordernde Gespräch. Damit du ein echtes Communicorn wirst und dich nichts mehr aufhält.
Aus ganz viel hilfreichem Wissen zusammenstellte Tipps in einer Schritt-für-Schritt-Anleitung und mit Links zum Nachschlagen einzelner Themen versehen. Danke!
Vielen Dank, Steffi! Ich tue, was ich kann (und liebe)! 😉